Die deutsche Vorratsdatenspeicherung ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht gespeichert werden, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag (19.09.2022) in Luxemburg. Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen sei eine begrenzte Datenspeicherung zulässig.

Deutschland muss seine Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung ändern.

Das hat am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Eine "allgemeine und unterschiedslose" Speicherung personenbezogener sei unzulässig. Zulässig ist aber eine gezielte Speicherung bei schweren Verbrechen und "unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit". Die deutschen Regelungen liegen seit fünf Jahren auf Eis.

Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass Telekommunikationsfirmen Telefon- und Internetverbindungsdaten ihrer Kunden für eine bestimmte Zeit sichern müssen, damit Ermittler bei Bedarf darauf zugreifen können. Seit Jahren wird in Deutschland darüber diskutiert, bei welchen möglichen Straftaten das erlaubt ist und wie lange die Daten gespeichert werden müssen. Viele Ermittler und Sicherheitspolitiker sehen in der Speicherung ein unverzichtbares Instrument im Kampf gegen Terrorismus oder organisierte Kriminalität, Bürgerrechtler hingegen halten sie für weitgehend unwirksam oder überzogen, da sie alle Menschen unter Generalverdacht stelle.

Die Richter am EuGH bleiben mit ihrer Entscheidung ihrer bisherigen Rechtsauffassung treu (über ähnliche Fälle in anderen Ländern wurde bereits entschieden). Personenbezogene Daten ohne einen konkreten Anlass zu speichern, verstößt gegen EU-Recht. Denn solche Daten ließen "sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben" zu.

Aber in mehreren Fällen erlauben die Richter jedoch eine Datenspeicherung.

Bei einer ernsten, aktuellen oder vorhersehbaren Bedrohung für die nationale Sicherheit dürften Verkehrs- und Standortdaten allgemein vorübergehend gespeichert werden, erklärte der EuGH. Zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit dürften Telekommunikationsanbieter für einen begrenzten Zeitraum dazu verpflichtet werden, bestimmte Daten zu speichern.

Mit der Entscheidung endet eine lange Debatte über die Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung (vgl. Beitrag im Tätigkeitsbericht 2017, S. 11). Im Jahr 2015 hatte die Große Koalition die Vorratsdatenspeicherung einführen wollen. Ein Gesetz sah vor, dass Telekommunikations-unternehmen Standortdaten für vier Wochen und Verkehrsdaten für zehn Wochen zwischenspeichern sollten, um Verbrechen besser aufklären zu können.

Die Anbieter Telekom und SpaceNet klagten gegen das Gesetz vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Köln, das ihnen 2018 Recht gab. Gegen die Entscheidung des OVG legte die Bundesnetz-agentur in Vertretung für die Bundesrepublik Sprungrevision vor dem Bundesverwaltungsgericht ein, welches das Verfahren wiederum an den EuGH abgab.

Dieses Gesetz hat nach dem EuGH-Urteil in seiner jetzigen Form keinen Bestand mehr. Nun geht der Fall zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Das müsste feststellen, dass die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoßen. Die Bundesregierung müsste dann die Vorgaben des EuGH in einem neuen Gesetz beachten.

Ob es ein neues Gesetz geben wird und wie das aussehen soll, ist allerdings offen. Die Koalition war sich bei dem Thema zuletzt uneins: Während Grüne und FDP die Vorratsdatenspeicherung ablehnen, sprach sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt zumindest für die Sicherung von IP-Adressen aus, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet besser verfolgen zu können.

Justizminister Marco Buschmann hat das Urteil des EuGH gegen die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung hingegen begrüßt.