Zunehmend ersetzt die digitale Kommunikation z. B. per E-Mail eine schriftliche Korrespondenz die mit Hilfe der Briefpost geführt wird. Bislang haben wir mehrfach auf die Sicherheit in diesem Themenbereich hingewiesen (sichere Übertragung, Verschlüsselung). Mehrere gerichtliche Entscheidungen befassen sich aber auch damit, wie der Absender nachweisen kann, dass eine E-Mail beim Empfänger zugegangen ist. Im Ergebnis tauchen hier dieselben Probleme auf wie bei der Briefzustellung.
Für den Zugang einer E-Mail spricht kein Anscheinsbeweis. Auch dann, wenn der Absender die Versendung der Mail nachweisen kann. Der Empfänger ist nicht verpflichtet, sein Posteingangsfach offenzulegen. Der Nachweis des Zugangs einer E-Mail erfordert eine Lesebestätigung, so das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom 03.04.2024, 7 U 2/24). Der bloße Versand beweist weder den Zugang noch das Lesen der E-Mail.
Wenn eine E-Mail-Kommunikation (juristisch) nachgewiesen werden muss, kann dies über eine Lesebestätigung geschehen. Der Nachweis des Absendens einer E-Mail ist kein Prima-facie-Beweis (Anscheinsbeweis) dafür, dass der Empfänger die E-Mail tatsächlich auch erhalten hat. Diese Rechtsauffassung entspricht der bisher überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss vom 18.03.2023 – 26 W 13/23, LAG Köln Urteil vom 11.01.2022 – 4 Sa 315/21).
Versand belegt nicht Empfang
In den Verfahren ging es um die Frage des Zugangs einer E-Mail.
Die Gerichte entschieden, dass es keinen Anscheinsbeweis für den Empfang einer E-Mail gibt, wenn sich allein aufgrund des Sendeprotokolls beim Absender nachweisen lässt, dass diese tatsächlich versendet wurde. Aus technischen Gründen sei es möglich, dass trotz des ordnungsgemäßen Versands der E-Mail, diese den Empfänger nicht erreicht, auch wenn sich beim Versender der Versand als korrekt darstellt, insbesondere eine Unzustellbarkeitsnachricht auf Seiten des Absenders nicht erfolgt ist.
Um einen beweissicheren Nachweis des Empfangs erbringen zu können, kann sich der Absender in seinem E-Mailprogramm eine Lesebestätigung einrichten, so die Ansicht der Gerichte. Die meisten E-Mailprogramme bieten dafür eine entsprechende Option. Die Lesebestätigung belegt zweifelsfrei, dass die E-Mail nicht nur beim Empfänger angekommen ist, sondern von diesem auch geöffnet wurde.
Genau wie bei der Briefpost darf das Risiko der ausbleibenden Zustellung nicht auf den Empfänger übertragen werden, da der Absender die Art der Übermittlung wählt und daher auch das Zustellungsrisiko trägt. Der Absender kann aber das Zustellungsrisiko mit einer Lesebestätigung minimieren.
Aus dieser Erwägung heraus hatte das OLG Rostock auch die Aufforderung der Klägerin an die Beklagte des Verfahrens, ihren E-Mail-Zugang zum fraglichen Zeitpunkt offenzulegen, zurückgewiesen. Das Verlangen auf Offenlegung des digitalen Postzugangs sei vergleichbar mit einem Antrag, die Briefkästen oder Wohnungen und Geschäftsräume eines vermeintlichen Empfängers einer per Brief versandten Erklärung zu durchsuchen. Dies sei unverhältnismäßig und daher unzulässig.
Es gibt für Empfänger einer E-Mail keine Verpflichtung, deren Zugang mit einer Lesebestätigung zu quittieren, insbesondere deshalb, weil eine Ablehnung nicht unredlich sein muss. Denn automatisch generierte Lesebestätigungen können sich auch nachtteilig auswirken, wenn Spammer Nachrichten mit Lesebestätigungen versenden und so feststellen können, ob die Empfänger-Postfächer existieren und sogar aktiv genutzt werden.
Verweigern Empfänger eine Lesebestätigung und geben auch auf andere Weise den Erhalt der E-Mail nicht zu erkennen, ist der Absender gezwungen, eine andere Art der Zustellung zu wählen.
Fazit:
Diese Gerichtsentscheidungen unterstreichen die Notwendigkeit, bei der E-Mail-Kommunikation für rechtliche oder wichtige geschäftliche Kommunikation vorsichtig zu sein. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine E-Mail den Empfänger auch tatsächlich erreicht hat, ohne dass dies durch einen zusätzlichen Nachweis bestätigt werden kann. Geeignet wäre u.a. auch eine Aufforderung zu einer kurzen Rückinformation als Bestätigung für den Empfang.
Damit schützt sich der Absender vor rechtlichen Unsicherheiten und stellt sicher, dass eine Kommunikation per E-Mail weiterhin effektiv und sicher gestaltet werden kann. So kann die Lesebestätigung in sensiblen oder geschäftlichen Angelegenheiten eine wertvolle Unterstützung sein.
Eine standartmäßige Abforderung für alle E-Mails wird jedoch dem Datenschutz und der Privatsphäre der Empfänger regelmäßig nicht gerecht. So hängt die Entscheidung, ob man eine Lesebestätigung anfordert vom Einzelfall ab, der durch die Wichtigkeit des Inhalts und der Notwendigkeit des Zustellungsnachweises bestimmt wird.