Das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz ist berechtigt, im Zuge der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) im Rahmen des Zensus 2022 die im Gesetz zur Durchführung des Zensus im Jahr 2022 (ZensG 2022) näher bezeichneten, strukturellen Angaben einschließlich sog. statistischer Hilfsmerkmale zu erheben, so entschied das Verwaltungsgerichts Neustadt a.W. in seinem Beschluss vom 27.10.2022 (Az. 3 L 763/22.NW). Die Betroffenen können sich nicht auf eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berufen.

Hintergrund der Entscheidung

Die Antragsteller wendeten sich mit einem Eilantrag gegen die Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) im Rahmen des Zensus 2022.
Nachdem die Antragsteller ihrer Erklärungspflicht im Rahmen dieses Verfahrens bis zum Stichtag nicht nachgekommen waren, wurde ihnen mit dem Erinnerungsschreiben mitgeteilt, dass sie die Fragen sowohl online beantworten oder den beantworteten Fragebogen in Papierform an einen näher bezeichneten privaten Dienstleister senden könnten. Sie wurden daraufhin gewiesen, dass dieser den Papierbogen sodann digitalisiert und zur Geheimhaltung verpflichtet sei.

Die Antragsteller legten gegen dieses Schreiben des Antraggegners Widerspruch ein, welcher jedoch zurückgewiesen wurde, woraufhin sie Klage erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz stellten. Gerügt wurde, dass die Rechtsvorschriften des Zensusgesetzes 2022 und die dort geregelte Behandlung von Hilfsmerkmalen verfassungswidrig seien.

Begründet wurde die Rügen damit, dass der wirksame Schutz digital gespeicherter Daten grundsätzlich nicht gewährleistet werden könne und eine Deanonymisierung nicht ausgeschlossen sei. Angeführt wurde zudem, dass der US-amerikanische IT-Dienstleister, der in den Betrieb der Internetpräsenz „www.zensus2022.de“ eingebunden sei, auf technische Daten zugreift und im öffentlichen Teil der Website ein Kontaktformular anbietet, über das ein Anschreiben der Nutzer von Statistikämtern möglich sei.

Kritisiert wurde ferner, dass dazu persönliche Daten einzugeben sind, deren Weitergabe an unbefugte Dritte nicht ausgeschlossen werden könne. Das vertraglich zugesicherte Versprechen des Dienstleisters, Daten ausschließlich auf europäischen Servern zu verarbeiten, sei mit Blick auf den „CLOUD Act“ unzureichend und damit die Einbindung des Dienstleisters unionsrechtswidrig.

Das VG hat den Eilantrag abgelehnt. Das Gericht führt aus, dass die Antragsteller nicht in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sind. Nach Ansicht des Gerichts entspricht die Ausgestaltung des Zensus 2022 den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht zum Zensus 2011 sowie in dem zur Volkszählung ergangenen Urteil vom 15. Dezember 1983 gemacht hat. Die rechtlichen Schutzmechanismen des Zensusgesetzes 2022 bleiben, so das Gericht, dabei nicht hinter denjenigen des Zensusgesetzes 2011 zurück. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.
Das Gericht führt weiter aus, dass andere Möglichkeiten einer grundrechtsschonenderen Datenerhebung auch unter Berücksichtigung der Fortentwicklung der statistischen Wissenschaft nicht ersichtlich sind. Da nicht alle benötigten Daten des Zensus 2022 bereits in Registern vorliegen, ist eine Erforderlichkeit anzunehmen.

Hinzunehmen sind - nach der Auffassung des Gerichts - zudem die verbleibende Restrisiken der Deanonymisierung und Reidentifizierung als notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik. Die Heranziehung zur Auskunftserteilung verstößt daher auch nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und ist insbesondere mit den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung vereinbar.

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Mit dem Zensus 2022 werden personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO erhoben und verarbeitet. Eine solche Verarbeitung ist grundsätzlich nur nach Maßgabe der Art. 5 ff. DSGVO zulässig. Es gilt das sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, dass grundsätzlich jede Verarbeitung personenbezogener Daten verboten ist, es sei denn eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Ausnahmetatbestände ist erfüllt. Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO bestimmt, dass eine Verarbeitung unter anderem dann zulässig ist, wenn diese für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Erhebung von Daten im Rahmen des Zensus 2022 dient der Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe. Die Erhebung ist daher nach Ansicht des Gerichts zulässig.

Hosting durch US-Anbieter

Beurteilt werden musste durch das Gericht auch der Einsatz von Cloudflare auf der Webseite zum Zensus 2022. Festgestellt hat das Gericht, dass das Hosting einer amtlichen Homepage für den Zensus 2022 durch ein US-amerikanisches Unternehmen nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit des Zensus 2022 führt. Begründet wurde dies damit, dass die Verarbeitung von Hosting-Daten durch den Dienstleister nur in europäischen Rechenzentren und unter ausschließlicher Nutzung europäisch integrierter IP-Adressen erfolge.

Angeführt wurde ferner, dass die Verarbeitung keine Befragungsdaten der Auskunftspflichtigen umfasst, sondern lediglich allgemein zugängliche Metadaten, wie IP-Adresse des Abrufs, Internetbrowser, Betriebssystem oder Uhrzeit des Seitenaufrufs.

Das Gericht nimmt Bezug auf den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 07.09.2022 (Az. 15 Verg 8/22) und führt aus, dass der Verantwortliche auf die vertraglichen Zusagen von Cloudflare vertrauen darf und Einlassungen der Antragsteller zu einem denkbaren Zugriff US-amerikanischer Sicherheitsbehörden (bspw. über den „CLOUD-Act“) spekulativ bleiben. Die Einlassungen des Antragstellers greifen auch deshalb nicht, da das Bundesverfassungsgericht die verbleibende Restrisiken trotz Anspannung aller zumutbaren Vorkehrungen als grundsätzlich notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik akzeptiert hat.

Das Gericht verweist zudem darauf, dass mittlerweile ist der US-amerikanische IT-Dienstleister nach Auskunft des Bundesbeauftragten für den Datenschutz aufgrund zwischenzeitlich vorgenommener Änderungen beim Aufruf des Online-Fragebogens nicht mehr eingebunden sei, sodass auch eine Übermittlung von Metadaten nicht mehr erfolgt. Damit greifen auch die von dem EuGH in Schrems II geäußerten Bedenken gegen eine Übertragung personenbezogener Daten von EU-Bürgern in die Vereinigten Staaten nicht durch.

Der Gefahr des Zugriffs unbefugter Dritter wird dahingehend wirksam begegnet, indem die Übermittlung der Daten unter Einhaltung der Vorgaben des Zensusvorbereitungsgesetzes 2022 zur Verschlüsselung erfolgt.

Das Gericht verweist darauf, dass es den Antragstellern zudem freistehe, den Fragebogen in Papierform einzureichen. Die hierfür zur technischen Umsetzung der Digitalisierung eingebundene Firma ist zur Geheimhaltung verpflichtet, sie hat kein Datenzugriffsrecht und erbringt damit unter datenschutzrechtlichen Aspekten auch keine Dienstleistung, die einen intensiveren Zugriff auf Daten der Antragsteller erlaubt.
Gegen den Beschluss des VG Neustadt ist Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig. Es bleibt abzuwarten, ob die Antragsgegner diesen Schritt gehen werden. Klar dürfte jedoch sein, auch der nächste Zensus wird vermutlich wieder für Kritik sorgen.